Verfahrenseinstellung gegen Böhmermann ist Armutszeugnis für deutsche Justiz und schadet dem Ansehen Deutschlands

„Mit großer Verwunderung haben wir über die Einstellung des Strafverfahrens gegen Böhmermann erfahren – aus der Presse. Wie es scheint, hat die UN-Rüge des Antirassismusausschusses gegenüber BRD keinerlei Wirkung entfaltet und die Staatsanwaltschaft Mainz schert sich auch entgegen juristischer Offensichtlichkeit nicht mal um das Ansehen Deutschlands,“ erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich der Einstellung des Strafverfahrens gegen Jan Böhmermann wegen seines beleidigenden Schmähgedichts, in dem er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan beleidigt und dabei rassistische Vorurteile bedient. Yeneroğlu weiter:

„Die Einstellung des Verfahrens ist ein Skandal, die Begründung umso mehr. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Mainz ist ein Armutszeugnis für die deutsche Justiz. Dass eine derart offensichtliche Verletzung eines Straftatbestandes mit juristischen Taschenspielertricks und bester haarspalterischer Manier nicht weiterverfolgt wird, hätte ich als in Deutschland ausgebildeter Jurist nicht für möglich gehalten.

Offenbar hat sich die Staatsanwaltschaft mitreißen lassen von der allgemeinen Stimmung gegen den türkischen Präsidenten und dabei jegliches Gespür für die juristische Rechtsanwendung verloren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Entscheidung einer Beschwerde nicht standhält. Schon die Verkündung ist ein Skandal. Der Rechtsanwalt des Präsidenten bekommt erst gestern um 14.45 Uhr eine Mitteilung von der Staatsanwaltschaft. Doch schon vorher ist er von Journalisten darauf angesprochen worden und auch Böhmermann habe bereits Journalisten für eine Pressekonferenz am nächsten Morgen eingeladen. Viele Journalisten und Böhmermann selbst wussten also vorher Bescheid. Entsprechend des bisherigen Verfahrensverlaufs geht es offenbar darum, die Sache weiterhin zu verzögern, um am 28. Oktober die Verjährung der Öffentlichkeit mitzuteilen.

Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass die Auswüchse des Herrn Böhmermann eine Beleidigung extremer Art darstellen, nur die Staatsanwaltschaft Mainz sieht das anders mit einem abstrusen Argumentationsstrang: je schlimmer die Beleidigung ist, desto eher sei sie nicht ernst gemeint und damit straffrei. Jedenfalls stände die sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund und nicht die persönliche Diffamierung.

Vollkommen übersehen wird ein weiteres Problem, das in Teilen des Justizapparates offenbar tiefer verankert zu sein scheint als bisher angenommen. Die Rüge des Antirassismusausschusses der Vereinten Nationen gegenüber Deutschland vor drei Jahren ist noch in bester Erinnerung. Der Ausschuss hatte die Nichtverfolgung von Thilo Sarrazin gerügt, obwohl dessen Auslassungen klar rassistisch gewesen waren. Der Bundesrepublik wurde auferlegt, seine Staatsanwälte dahingehend zu schulen und zu sensibilisieren, dass sie Delikte mit rassistischem Kontext erkennen und verfolgen.

Offenbar scheint sich seit dieser Rüge überhaupt nichts getan zu haben, wie man an der Begründung der Staatsanwaltschaft sehen kann. Sie hat nicht unwesentliche Aspekte des Gedichts komplett ausgeblendet. Böhmermann hat in seinem Schmähgedicht nicht nur den türkischen Präsidenten auf das Übelste beleidigt, sondern auch Stereotypen über den ‚primitiven Orientalen‘ sowie unterschwellig existente Ressentiments bedient. Darüber verliert die Staatsanwaltschaft kein einziges Wort.“