„Danke an alle deutschen und türkischen Bürger, die in diesen 56 Jahren Migration große Leistungen für das harmonische Zusammenleben erbracht haben. Erinnere vor allem auch an die erste Generation der Einwanderer, die große Mühen auf sich genommen haben,“ erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei. Anlass ist der 56. Jahrestag des Deutsch-Türkischen Anwerbeabkommens, das am 30. Oktober 1961 unterzeichnet wurde. Mustafa Yeneroğlu weiter:
„Das Deutsch-Türkische Anwerbeabkommen hat die bilateralen Beziehungen beider Länder auf eine neue Stufe gestellt. Es hat das Leben von Millionen Türken maßgeblich beeinflusst und dazu geführt, dass in Deutschland eine türkische Gemeinschaft entstanden ist. Seit dem Abkommen sind 4,1 Millionen Menschen nach Deutschland gezogen, von denen 2,9 Millionen wieder in die Türkei zurückgekehrt sind. Heute leben drei Millionen Türken in Deutschland. Sie sind inzwischen in allen Bereichen des Lebens vertreten und ein fester Bestandteil der Gesellschaft. Mit einem Durchschnittsalter von 33 Jahren sind sie jung und ein wichtiger sozialer, wirtschaftlicher und politischer Faktor. Insbesondere die Gründungsfreudigkeit der Türkeistämmigen wird in Wirtschaftskreisen hochgelobt.
Gemeinsame Werte der türkeistämmigen Bürger in Deutschland sind die Türkei, die türkische Sprache, die Kultur sowie die Religion. Inzwischen haben sich auch transnationale Identitäten herausgebildet, die für alle Seiten eine Bereicherung darstellen. Die Wahrung und Förderung dieser Bände ist eine wichtige Verantwortung. In diesem Kontext ist das Engagement der Zivilgesellschaft von übergeordneter Bedeutung. Nur wenn Menschen unterschiedlichster Herkunft, Sprache, Kultur und Religion ihre Identität bewahren und ausleben, wird Vielfalt sichtbar und Pluralität lebendig.
Dies erlangt im Kontext der Zunahme rechtsextremistisch motivierter Angriffe und der Wahlerfolge rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien in Europa zunehmend an Bedeutung. Es müssen noch mehr Anstrengungen zur Wahrung von Grundrechten und gleichberechtigter Teilnahme von Angehörigen unterschiedlicher Religionen und Kulturen unternommen werden, damit Vielfalt nicht von Einfalt verdrängt wird.
Es ist ein Armutszeugnis für die Bundesrepublik, das 56 Jahre nach dem Anwerbeabkommen ausländerfeindliche Straftaten ungebrochen hoch sind. Die institutionelle Diskriminierung von Minderheiten in der Bildung oder auf dem Arbeitsmarkt hat mit den durch die NSU-Morde zutage getretenen Missständen in Geheimdiensten und Polizei ihren Höhepunkt erreicht und gehört therapiert. Erforderlich sind tiefgreifende Reformen.
Deutschland ist in Bezug auf Deutsche im Ausland politisch vielfältig aktiv. In Osteuropa und mit Russland beispielsweise gibt es bilaterale Abkommen zur Wahrung der ethnischen und kulturellen Identität der deutschen Minderheiten in diesen Ländern. Jährlich werden deutsche Minderheiten im Ausland mit Millionenbeträgen unterstützt mit dem Ziel, die deutsche Sprache und Kultur zu pflegen. Genauso hat die Türkei einen legitimen Anspruch zur Förderung von türkischen Minderheiten im Ausland. Unter der AK Partei-Regierung wurden mit der Gründung des Präsidiums für Auslandstürken, der Maarif Stiftung sowie der Yunus Emre Stiftung in den Bereichen Bildung, Kultur und Sprache große Fortschritte gemacht. Die Dienstleistungen dieser Institutionen werden zweifelsohne auch den Türken in Deutschland zugutekommen.
Die Spannungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei haben die Türken in Deutschland in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Immer häufiger werden sie instrumentalisiert von türkeifeindlichen Kreisen, was bei vielen Türkeistämmigen zu Irritationen führt. Ihre Bindung zu Deutschland wird auf eine Zerreisprobe gestellt. Das hilft niemandem, weswegen wir diese Entwicklungen mit großer Sorge beobachten. Es bleibt für die Zukunft der historisch guten Beziehungen eine Herausforderung, dass das Bild der Türkei in Deutschland nicht von marginalen Gruppen und Terrororganisationen bestimmt wird. In diesem Sinne spreche ich allen deutschen und türkischen Bürgern, die in diesen 56 Jahren Migration große Leistungen für das harmonische Zusammenleben erbracht haben, meinen Dank aus und erinnere vor allem an die erste Generation der Einwanderer, die auch große Mühen auf sich genommen haben.“