“Bestrebungen, Türkeistämmige in Deutschland durch politische, juristische und geheimdienstliche Druckmittel mundtot zu machen, müssen unverzüglich eingestellt werden”, fordert Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich aktueller Äußerungen von Seiten des Verfassungsschutzes sowie einzelner Politiker.

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg zeigt sich Medienberichten zufolge besorgt, dass als Folge der Armenien-Resolution “radikale Kräfte der türkischen Gemeinschaft” aktiv werden könnten. Der Geheimdienst stelle zunehmend propagandistische Aktivitäten fest. Als Beleg dient eine Stellungnahme, der sogenannten “Grauen Wölfe”, in der die Gruppierung ihren Unmut über die Armenier-Resolution zum Ausdruck bringt und mitteilt, dass sie sich hintergangen und verletzt fühlt.

“Kurioser könnte die Einschätzung des ‘Verfassungsschutzes’ wohl kaum sein. Wenn eine Gruppe von Menschen eine gemeinsame Erklärung abgibt, in der sie schriftlich formulieren, was sie von einer politischen Abstimmung im Bundestag halten, ist das nichts anderes als vorbildlich im Sinne der demokratischen Streitkultur. In der Stellungnahme ist keine Silbe enthalten, die auf eine Radikalisierung oder Gewaltanwendung hindeuten könnte. Durch das Schwingen der geheimdienstlichen Keule sollen unangenehme Meinungen offenbar mundtot gemacht werden. Das entspricht nicht unserem Demokratieverständnis und im Übrigen auch nicht dem gesetzlichen Auftrag, dem der Verfassungsschutz unterworfen ist,“ erklärt Mustafa Yeneroğlu.

In diese Kategorie lässt sich laut Yeneroğlu auch die Drohung des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), einorden. Er hatte in Deutschland lebenden Türkeistämmigen mit aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen gedroht, sollten sie sich “dieser Hetze Erdogans” anschließen. Für Yeneroğlu sind solche Äußerungen ein Tabubruch: “Wenn Medien hinzudichten und überspitzen, kann man das hinnehmen, wenn aber ein Staatssekretär dem türkischen Präsidenten Hetze vorwirft und im selben Atemzug Türkeistämmigen in Deutschland mit juristischen Konsequenzen droht, geht das eindeutig zu weit. Das Bundesinnenministerium ist gut beraten, sich auf die Erfüllung seiner Kernaufgaben zu konzentrieren, und nicht noch mit populistischen Äußerungen Öl ins Feuer zu gießen.”

Der systematisch gesteigerte öffentliche Druck gegen die türkeistämmige Zivilgesellschaft und vor allem gegen Religionsgemeinschaften mit mehrheitlich türkeistämmigen Mitgliedern ist vermutlich von demselben Geist getragen. “Offenbar sollen Türkeistämmige in Deutschland keine eigene Meinung als das gegenwärtige politische Dogma haben dürfen. Durch den politischen, juristischen bzw. geheimdienstlichen Druck sollen sie offenbar in die gewünschte Bahn gelenkt werden. Das ist keine Streitkultur, wie es einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft gebührt”, so Mustafa Yeneroğlu.

Angesichts der real-existierenden Bedrohungen, die von rechtsradikalen Parteien und ihren Scharfmachern ausgehen und dem wachsenden Rassimus in Deutschland, sei man mehr denn je auf Begegnungen auf Augenhöhe und den couragierten Austausch von mitunter auch unterschiedlichen Meinungen angewiesen. “Dabei dürfen wir uns weder von tatsächlichen gesellschaftspolitischen Herausforderungen ablenken lassen, noch sonstigen destruktiven Kräften das Feld überlassen,” so Yeneroglu abschließend.

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