„Der Einzug einer offen rechtsradikalen Partei in das Parlament ist für Deutschland ein politisches Erdbeben. In der Türkei beobachten wir diese Entwicklung mit größter Aufmerksamkeit. Im Hinblick auf die Sicherheit von mehr als drei Millionen Türkeistämmigen in Deutschland und anderen religiösen und ethnischen Minderheiten erfüllt uns das Wahlergebnis mit Sorge“, erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, und fordert alle demokratischen Kräfte in Deutschland auf, sich dieser existenziellen Bedrohung für Pluralismus und Parlamentarismus im Schulterschluss entgegenzustellen. Yeneroğlu weiter:

„Mit ihrem offen menschenfeindlichen Diskurs wird die AfD drittstärkste Kraft im Bundestag. Ihr Spitzenkandidat Alexander Gauland gibt mit seiner Ankündigung, ‚Frau Merkel und wen auch immer zu jagen‘, um sich ‚Volk und Land‘ zurückzuholen, bereits einen beängstigenden Vorgeschmack auf die künftige Arbeit seiner Fraktion im Bundestag. Selbst die AfD-Frontfrau Frauke Petry hat wohl inzwischen selber Angst vor den Geistern, die sie rief, bekommen. Ihre Ankündigung, sich aus inhaltlichen Erwägungen nicht der Fraktion ihrer eigenen Partei anzuschließen, spricht für sich.

Mehr denn je sind sozialer Frieden und Zusammenhalt in Deutschland gefährdet. Umso mehr sind jetzt die demokratischen Kräfte in Politik und Zivilgesellschaft in Deutschland gefordert, sich der ‚Nazi-Rhetorik‘ im Schulterschluss entgegenzustellen und Verantwortung für die Zukunft des Landes zu übernehmen. Dies muss einhergehen mit einer kritischen Reflektion darüber, inwieweit auch das eigene Versagen den Populisten und ‚Wutbürger-Verstehern‘ wie Sarrazin und Steinbach nicht Einhalt geboten zu haben, zum Erfolg des Originals, also der AfD, beigetragen hat.

Trotz größtmöglicher wirtschaftlicher Prosperität und faktischer Vollbeschäftigung waren es auch die sogenannten etablierten Parteien, die mit der Adaptation rechtsextremer Argumente und die Tolerierung von Tabubrüchen den Weg für den Erfolg der AfD geebnet haben. Hierzu gehört auch das über den gesamten Wahlkampf eifrig praktizierte Türkei-Bashing.

Nicht nachvollziehbar ist, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesinnenminister Thomas de Maizière und andere Unionspolitiker geradezu verwundert über den Rechtsruck in der Gesellschaft zeigen, der sich bei diesen Wahlen lediglich in handfesten Zahlen ausgedrückt hat. Studien warnten bereits lange bevor es die AfD gab, über ein Abdriften der Gesellschaft nach rechts. Vor dieser gefährlichen Entwicklung warnen auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen bereits seit vielen Jahren, ohne dass die Politik angemessen reagiert hätte. Insofern ist dieses Wahlergebnis auch ein Resultat jahrelanger Untätigkeit und gekonntem Wegsehen der bisherigen Regierungen.

Angesicht von Zehntausenden gewaltbereiten Neo-Nazis, die willig sind, Alexander Gaulands Jagdrhetorik in die Tat umzusetzen, werden wir aus der Türkei ein verschärftes Augenmerk auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen legen und streng darüber wachen, dass Minderheiten in Deutschland vor dem braunen Mob angemessen geschützt werden.“

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