„Das österreichische Regierungsprogramm ist mit seiner offenen Fremden-, Türkei- und Islamfeindlichkeit ein Zeugnis des grassierenden Rechtsrucks und der vergifteten politischen Kultur in Österreich, möglicherweise mit verheerenden Auswirkungen auf Europa,“ so Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Abgeordneter der Großen Nationalversammlung der Türkei. Anlass ist das veröffentlichte Regierungsprogramm der zukünftigen Regierungskoalition in Österreich. Yeneroğlu weiter:

Seit Jahrzehnten wütet der Rechtspopulismus im politischen Geschehen Österreichs und hat schon so manch einem in Europa, wie etwa bei den Bundespräsidentenwahlen, den Atem stocken lassen. Dennoch bleibt der Sturm der Entrüstung angesichts der erfolgreich abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen in Österreich und im Rest von Europa aus. Schlüsselpositionen wie das Außenministerium, das Innenministerium und das Verteidigungsministerium sollen von Rechtsaußenpolitikern übernommen werden. Damit steht die ganze Staatsgewalt unter der Kontrolle der FPÖ. Vizekanzler wird einer mit Neonazivergangenheit. Hierzu sei angemerkt, dass Begriffe wie rechtspopulistisch oder Rechtsaußen als Schlagworte eines unterschätzen gesellschaftlichen Wandels im letzten Jahrzehnt herhalten müssen, die dem erstarkenden Rechtsradikalismus eigentlich nicht gerecht werden. Während rechtskonservative Politiker davon sprechen, dass die Gesellschaft in den letzten Jahren weiter nach rechts gerutscht ist und Mitte-rechts-Parteien sich dem Wandel anpassen müssen, wird auf der anderen Seite konstatiert werden müssen, dass das früher als rassistisch gebrandmarkte Vokabular durch den massiven Rechtsruck inzwischen als Rechtspopulismus verniedlicht, mehrheitsfähig geworden ist und weiter die politische Kultur vergiftet.

Das österreichische Regierungsprogramm ist mit seiner offenen Fremden-, Türkei- und Islamfeindlichkeit ein Zeugnis davon. Insbesondere der Islam wird entsprechend des FPÖ-Jargons durchgehend mit negativen Assoziationen besetzt und als Gegner verortet (S. 24, 31 ff., 37, 39 ff., 45). Damit die Gegnerschaft verfassungsrechtlich akzeptabel dargestellt werden kann, wird das unbestimmte Attribut „politisch“ dem Islam angefügt und somit die Bekämpfung der islamischen Religionsgemeinschaft, vorgeblich politisch korrekt, als Regierungsziel auserkoren. Der Begriff Islam wird im Regierungsprogramm an 21 Stellen erwähnt. An keiner Stelle steht er unter einem positiven Vorzeichen, sondern wird durchweg ausschließlich negativ kontextualisiert und als zu bändigende Gefahr verortet. Die fadenscheinige Abgrenzung vom politischen Islam zur „Religion des Islam“ (S. 39) bleibt eine sich schnell entlarvende Feigenblatt-Formulierung ohne Aussagekraft. Mit der „Sicherstellung einer umfassenden Kontrolle der Darstellung der Lehre, einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquelle (Koran), gemäß § 6 Islamgesetz“ (S. 39) verschärft das Regierungsprogramm eine verfassungswidrige Stelle aus dem Islamgesetz und untermauert ihre negative Haltung gegenüber den islamischen Religionsgemeinschaften, die nunmehr aufgerufen sind, im Schulterschluss mit allen demokratischen Kräften und Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten, für ihre Grundrechte einzustehen. Sie stehen in der Pflicht, wirksam gegen die zunehmende rassistische Vergiftung der politischen Kultur vorzugehen, den dadurch bewirkten vermehrten Übergriffen auf sie nicht tatenlos zusehen und den verfassungswidrigen Druck auf ihre Einrichtungen abzuwenden.

Zusammen mit den „Anständigen“ in Österreich liegt es nun an Ihnen, gegen die weitere Beschneidung von sozialen und demokratischen Rechten für Geflüchtete, Migranten und Muslimen vorzugehen, ihren Widerspruch offensiv zu formulieren und als demokratisch bewusste und politisch mündige Bürger sich in die politischen Debatten einzumischen. Dieses bedeutet, konkret in Aktion zu treten, Menschen anzusprechen, in politischen Parteien mitzuwirken, zivilgesellschaftliche Aktionen zu unterstützen und solidarisch mit anderen benachteiligten Bevölkerungsteilen zu sein.

Es bleibt zu hoffen, dass die Entwicklung in Österreich als ein letztes warnendes Beispiel in Resteuropa angenommen wird und Rechtspopulisten nicht mehr verharmlost werden. Wie sehr sich die Zeiten in Europa gewandelt haben, zeigen die Reaktionen auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahre 2000 im Vergleich zu der heutigen Situation. Während damals eine Welle der Entrüstung von allen europäischen Regierungsvertretern getragen und Österreich vor der Isolierung durch die EU stand, herrscht heute allseits bedenkliches Schweigen.

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