„Deutschland muss viel größere Anstrengungen zur Aufarbeitung der NSU-Morde unternehmen und das Versprechen nach lückenloser Aufklärung einlösen“, erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich des fünften Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU. Yeneroğlu weiter:

„Deutschland schuldet fünf Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU immer noch die von der Bundeskanzlerin versprochene ‚lückenlose Aufklärung‘. Stattdessen wurde eine endlose Aneinanderreihung von vermeintlichen Fehlern und Pannen serviert. Immer dann, wenn man dachte, es kann nicht mehr schlimmer kommen, wurde sogar die kühnste Fantasie übertroffen: mehrere plötzliche und dubiose Todesfälle von NSU-Zeugen, vorsätzliche Aktenvernichtungen in den Sicherheitsbehörden, unglaubliche Erinnerungslücken von Staatsbediensteten vor Untersuchungsausschüssen, Aktenzurückhaltungen sowie zuletzt neue NSU-Spuren, die zum Mord der kleinen Peggy führen.

Eine Konstante beim NSU-Komplex war und ist, dass in allen Mordfällen stets Bürger mit ausländischen Wurzeln im Visier der Ermittler waren. Im Fall der kleinen Peggy saß der türkeistämmige Ulvi K. sogar 14 Jahre unschuldig im Gefängnis. Ermittlungen in die rechtsextremistische Szene blieben sowohl nach den Morden als auch nach den Bombenanschlägen weitestgehend aus. Bemerkenswert ist, dass kritische Journalisten bisher mehr aufgedeckt haben als die Sicherheitsbehörden selbst.

Auch der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München enttäuscht nach bisherigem Verlauf maßlos. Richter und der Generalbundesanwalt sind offenbar nur darauf aus, Schadensbegrenzung zu betreiben, indem sie den möglichen Täterkreis klein halten. Dabei gibt es inzwischen zahlreiche Spuren und Indizien, die darauf hindeuten, dass der NSU weit mehr ist als nur ein Kernteam von nur drei Personen.

Der bisher mehr als enttäuschende Ermittlungsverlauf unterstreicht stärker denn je die Verpflichtung, den NSU-Komplex lückenlos aufzuarbeiten sowie die daraus resultierenden Konsequenzen zu ziehen. Nach wie vor wartet das Handlungskatalog des Untersuchungsausschusses des Bundestages auf seine Umsetzung. Was bisher getan wurde, wird dieser Sache bei Weitem nicht gerecht. Vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl an islam- und ausländerfeindlich motivierten Straftaten gibt das ein besonders schlechtes Bild ab.

Die Türkei und die türkische Öffentlichkeit beobachten den bisherigen Ermittlungsverlauf mit großem Interesse und haben allen Grund, besorgt und enttäuscht zu sein. Der Ausgang dieser Ermittlungen wird das Bild von Deutschland über viele Jahre prägen – auch im Hinblick auf die oft tatsachenfremden Belehrungen in Richtung Türkei im Kontext von Menschenrechtsidealen.“

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