“Mit Sorge beoachten wir die populistischen Reaktionen auf einen möglichen Deutschland-Auftritt des türkischen Präsidenten Erdoğan. Wir rufen zur Sachlichkeit und vor allem zu mehr Selbstreflexion auf,“ erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich laufender Spekulationen über einen möglichen Auftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland. Yeneroğlu weiter:

“Die Reaktionen der Politik über einen möglichen Auftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland befremden und überraschen sehr. Wenn etwa der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger erklärt, mit der geplanten Verfassungsänderung würde in der Türkei die Todesstrafe wiedereingeführt, sollte er seine Türkeikenntnisse und auch seinen Beraterstab gründlich auf den Prüfstand stellen. Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Anstatt sich in Verbreiten von ‚Fake-News‘ zu üben und offenbar schon in Wahlkampfmanier die deutsche Öffentlichkeit in die Irre zu leiten, sollte Jäger vorerst seine eigenen Hausaufgaben machen.

Seit vielen Jahren tragen insbesondere in Nordrhein-Westfalen Nebenorganisationen der verbotenen Terrororganisation PKK ungehindert innertürkische Konflikte auf deutschen Straßen und Plätzen aus, spalten die Gesellschaft, werben für den PKK-Terror, rekrutieren Terroristen und sammeln Geld zur Finanzierung von blutigen Terroranschlägen. An solchen Aktionen ist sogar immer wieder auch eine Organisation beteiligt, die in Nordrhein-Westfalen offiziell als Religionsgemeinschaft anerkannt ist. Bemerkenswert, dass im besten Fall geschwiegen wird, wenn Fahnen der AABF neben solchen der Terrororganisation PKK geschwenkt werden oder innertürkische Themen einen großen Raum der Arbeit der AABF einnehmen, auf der anderen Seite aber eine große Empörungswelle losbricht, wenn Bürger die demokratisch legitimierte Regierung der Türkei unterstützen.

Statt dieser Doppelmoral und vor allem dem Treiben der Terrororganisation ein Ende zu setzen, wirft Jäger ausgerechnet dem demokratisch gewählten Präsidenten der Türkei das Herantragen sogenannter ‚türkischer Konflikte‘ nach Deutschland vor. Der türkische Präsident trägt keine Konflikte nach Deutschland, er antwortet eher auf diese. Im Übrigen ist er auch Präsident aller türkeistämmigen Wähler in Deutschland und hat bei den Präsidentschaftswahlen mit über 60 Prozent eine für deutsche Verhältnisse traumhaftes Wahlergebnis erzielt.

In Deutschland leben etwa 1,5 Millionen türkeistämmige Wähler. Viele von ihnen haben in Deutschland aufgrund restriktiver und ewiggestriger Einbürgerungspolitik kein Wahlrecht. Aus demokratischer Sicht ist es nicht nur geboten, sondern Pflicht, sie in den politischen Meinungsbildungsprozess – ob in Deutschland oder in der Türkei – einzubeziehen. Unser demokratisches Verständnis ist geprägt von der Teilhabe und nicht der Ausgrenzung. Letztere wird in Deutschland leider nach wie vor gelebt, insbesondere wenn es um Türkeistämmige geht. Vor diesem Hintergrund klingen Forderungen nach Loslösung von der Türkei ziemlich heuchlerisch.

Heuchlerisch wirken Jägers Einlassungen auch deshalb, weil aus den Reihen der Grünen – Jägers Koalitionspartner in NRW – oder der Linkspartei, die permanent innertürkische Politik machen sowie an Veranstaltungen von türkischen politischen Parteien teilnehmen, auch sein eigener Parteivorsitzender die weitestgehend als politischer Arm der PKK fungierende HDP als Schwesterpartei bezeichnet. Dabei ist es unmöglich, dass ihm nicht bewusst ist, dass die HDP nach wie vor die PKK nicht als Terrororganisation bezeichnet und sich von Terrorakten der PKK nicht distanziert.

Die deutsche Politikerlandschaft ist aufgerufen, einen möglichen Auftritt des türkischen Präsidenten in Deutschland mit der gebotenen Sachlichkeit und Selbstreflexion zu begleiten.”

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