„Die Bundesrepublik wird auch nach dem NSU-Prozess weit entfernt sein von einer umfassenden Aufklärung. Sie hat bisher auch nichts Nennenswertes getan, um eine Wiederholung des NSU-Desasters auszuschließen“, erklärt Mustafa Yeneroğlu, (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei. Anlass ist das Plädoyer der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Yeneroğlu weiter:

„Seit Jahren spielt die deutsche Politik den Ball dem NSU-Prozess zu, wenn es um die versprochene Aufklärung geht. Jetzt hat der Bundesanwalt den Ball zurückgespielt an die Politik: Sie sei verantwortlich für Fehler staatlicher Behörden. Soweit ist dem Bundesanwalt zuzustimmen. Die Politik ist ihrer Verantwortung bisher nicht gerecht geworden. Im Gegenteil, sie hat bisher alles Erdenkliche getan, um weiteren Schaden von sich selbst und den staatlichen Behörden fernzuhalten ohne Rücksicht auf Verluste auf Seiten der Aufklärung.

Nicht zugestimmt werden kann dem Bundesanwalt jedoch, wenn er behauptet, es seien keine Anhaltspunkte für strafrechtliche Verstrickungen staatlicher Behörden in die Taten des NSU aufgetreten. Die Bundesanwaltschaft zeigt sich seit Beginn des Prozesses äußerst bemüht, den möglichen Täter- und Helferkreis möglichst klein zu halten und den Prozess auf die bereits im Gerichtssaal sitzenden Personen zu beschränken; das Gericht hat dieses Bemühen stets dankend entgegengenommen. Es waren ausschließlich Anwälte der Nebenkläger, die Fragen aufgeworfen haben, die über die gesetzte Drei-Täter-Theorie hinausgegangen sind.

Nun stehen wir vor dem Ende des NSU-Prozesses mit noch mehr offenen Fragen als vor Beginn der Verhandlungen. Die politische Aufklärung in den Untersuchungsausschüssen – die einzigen Hoffnungsschimmer bisher – wurden immer wieder behindert und blockier von kooperationsunwilligen Sicherheitsbehörden, die wiederum politischen Entscheidungsträgern untergeordnet sind. Im Ergebnis bleibt noch viel zu tun, möchte die Bundesrepublik von sich behaupten, sie habe diesen Sicherheitsskandal aufgeklärt. Die groß und emotional angekündigte lückenlose Aufklärung geht bis dato nicht über den engen strafrechtlichen Rahmen hinaus. Nennenswerte Konsequenzen gab es bisher keine.

Die Handlungsempfehlungen der NSU-Untersuchungsausschüsse warten nahezu unangetastet bis heute auf ihre Umsetzung. Der institutionelle Rassismus innerhalb der Behörden etwa, die die breite Blutspur der NSU quer durch Deutschland überhaupt ermöglicht hat, wurde bisher nicht einmal ernsthaft problematisiert, ganz zu schweigen von handfesten Maßnahmen, die dringend erforderlich wären. Am Ende stellt sich die Frage, mit welchen Maßnahmen die Bundesrepublik eine Wiederholung des NSU-Desasters auszuschließen gedenkt.“

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