„Politischer Gehorsam wird verlangt, dem Anschein nach sogar im Namen der Freiheit. Jedenfalls sind Meinungsfreiheit und die ungestörte Freiheit der Religionsausübung freiheitliche Errungenschaften, die nicht der Verfügungsgewalt von politischen Präferenzen unterstehen“, erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei in Bezug auf den Spiegel-Gastbeitrag von Sigmar Gabriel und Heiko Maas. Yeneroğlu ergänzt:

„Infam und unverantwortlich. Anders ist der Gastbeitrag vom Bundesaußenminister und Bundesjustizminister auf der Online Plattform des Spiegels nicht zu beschreiben. Ausgerechnet die für Diplomatie und Justiz verantwortlichen Minister reihen ihrem Pamphlet eine Unverschämtheit an die andere und versuchen dies noch als Deeskalation im deutsch-türkischen Verhältnis zu verkaufen. Die Dämonisierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğans ist und bleibt scheinbar Top-Thema des deutschen Bundestagswahlkampfes.

So unterstellt man bereits in der Überschrift dem Präsidenten der Türkei einen “Kulturkampf” zu betreiben, obwohl es Sigmar Gabriel war, der selbigen im Kampf gegen den ominösen “Islamismus” vor Monaten selbst ausgerufen hat. Jetzt wird auch endlich offenbar, wer 150 Jahre nach dem ersten Kulturkampf als neuer Gegner ausgemacht wurde, nämlich Migrantenorganisationen und islamische Religionsgemeinschaften, die es wagen, dem gängigen Paradigma im Umgang mit der Türkei zu widersprechen und die man deshalb in skandalöser Weise mit Terrororganisationen wie der blutrünstigen PKK in einem Atemzug nennt und zur Kriminalisierung freigibt. Wohl gemerkt, Gemeinschaften, die sich seit mehr als 40 Jahren um die Integration der Muslime in die deutsche Gesellschaft verdient gemacht haben, werden unverhohlen stigmatisiert und es drohen Konsequenzen, wenn man es wagt, sich dem gängigen Türkei-feindlichen Paradigma zu widersetzen.

Verfassung und Rechtstradition der Bundesrepublik und die damit garantierte Freiheit als Religionsgemeinschaften und Migrantenorganisationen Inhalte und Positionierungen in Eigenregie zu gestalten, werden einfach beiseitegeschoben, um dem unbequemen Gegenüber in der Türkei eine Lektion zu erteilen. Rechtstreue ist offenbar kein Maßstab für Herrn Gabriel und Herrn Maas. Politischer Gehorsam wird verlangt, dem Anschein nach sogar im Namen der Freiheit. Wie schnell dabei die stilisierte Erhabenheit gegenüber dem schon immer als defizitär betrachteten Anderen demaskiert wird, sollte jedem zu denken geben. Die meisten Muslime werden nicht überrascht sein. Solche unbeherrschten Haltungen offenbaren auch, wie manche Amok gegen den Rechtsstaat laufen würden, wenn sie in Deutschland einem Bruchteil der terroristischen Gefahr der Türkei ausgesetzt wären.

Es bleibt trotz schwieriger Zeiten abzuwarten, ob sich eine kritische Öffentlichkeit wagt, dem Bundesaußenminister, aber leider sogar auch dem Bundesjustizminister, die Verfassung zur Lektüre zu empfehlen. Jedenfalls sind Meinungsfreiheit und die ungestörte Freiheit der Religionsausübung freiheitliche Errungenschaften, die nicht der Verfügungsgewalt von politischen Präferenzen unterstehen.‘‘

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