Forderung nach Loyalität nicht nachvollziehbar

“Forderungen nach Loyalität sind Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten. Die darin enthaltene Unterstellung ist unbegründet und kontraproduktiv. Sie entfremdet.”, erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, “Türkischstämmige” in Deutschland sollten Loyalität zu Deutschland entwickeln. Yeneroğlu weiter:

“Die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel überraschen. Sie sind offensichtlich dem rechtspopulistischen Druck aus der Mitte Unionspartein geschuldet im Vorfeld der Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg Vorpommern. So lässt sich Populismus auf dem Rücken von Minderheiten aber nicht bekämpfen. Im Gegenteil, indem man rechte Positionen übernimmt, legitimiert man sie.

Unabhängig davon stellt sich die Frage, woran die Bundeskanzlerin eine vermeintliche mangelnde Loyalität bei ‘Türkischstämmigen’ ausmacht. Mehrere unabhängige Studien belegen klar das Gegenteil. Gerade die Bundeskanzlerin hätte – so, wie wir es von ihr gewohnt sind – mit einem nüchternen Blick das ohnehin emotional aufgeladene Thema versachlichen können.

Anstatt Türkeistämmige unter einen unzulässigen Generalverdacht zu stellen, wäre es dringend notwendig, sich auf wirklich problematische Gruppierungen in Deutschland zu konzentrieren. Wir beobachten mit Verwunderung, wie frei und ungehindert PKK-Aktivisten auf Deutschlands Straßen und öffentlichen Plätzen Propaganda für verbotene Terrororganisationen betreiben dürfen. Deren Loyalität zu Deutschland scheint niemand in Frage zu stellen.”

Nach dem Kölner Demokratiefest: Reflektieren und nach vorne schauen

“Aus der Demokratie-Kundgebung in Köln gibt es viele Lehren zu ziehen. Jetzt ist es Zeit, zu reflektieren aber auch nach vorne zu schauen und die gemeinsamen Herausforderungen anzugehen”, erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich der öffentlichen Debatten rund um die Demokratie-Kundgebung in Köln. Yeneroğlu weiter:

“Die Demokratie-Kundgebung in Köln war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Weite Teile der Politik und Medienmacher haben eindrucksvoll gezeigt, dass sie auch nach über 50 Jahren Zusammenleben keinerlei Gespür und Feingefühl für das Empfinden der Türkeistämmigen in Deutschland entwickelt haben. Mit öffentlichem und polizeilichem Druck wurde versucht, die Menschen davon abzubringen, an der Kundgebung teilzunehmen. Teilnehmenden Vereinen wurde hinter vorgehaltener Hand mit Repressalien gedroht. Es wurden alle behördlichen Register gezogen, um die Veranstalter der Kundgebung zu schikanieren und gar zur Aufgabe zu drängen. Einen traurigen Höhepunkt bildete dabei die Untersagung einer Liveschaltung vom türkischen Staatspräsidenten. Die nicht nachvollziehbare juristische Absegnung durch das Bundesverfassungsgericht setzte dem Ganzen dann noch die Krone auf.

Von all diesen Entwicklungen hat sich die türkische Gemeinschaft nicht beeindrucken lassen. Ganz im Gegenteil hat sie mit der Teilnehmerzahl selbst die kühnsten Erwartungen der Veranstalter übertroffen und mit der herrschenden Volksfeststimmung ein Demokratiefest zelebriert. Irritiert ist sie aber trotzdem, weil sie sich durchaus bewusst ist, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Es ist noch in bester Erinnerung, dass die gleichen politisch Verantwortlichen und Medienmacher sich an Live-Zuschaltungen von PKK-Führern bei einer Kundgebung im Kölner Stadion nicht gestört haben. Mit dieser Art der Doppelmoral stößt man die Türkeistämmigen vor dem Kopf und entfremdet insbesondere die junge Generation von ihrer Heimat Deutschland.

Zehntausende Menschen haben sich parteiübergreifend am Sonntag für die Stärkung der Demokratie in der Türkei versammelt und friedlich demonstriert. Es waren Türken wie Kurden dabei, Tscherkesen wie Lazen, Sunniten wie Aleviten. Das gilt es zunächst einmal anzuerkennen und zu respektieren. Wer in diesem Kontext von gescheiterter Integration redet, hat den Zeitgeist unserer globalen Welt nicht verstanden.

Die Kundgebung hat darüber hinaus verdeutlicht, dass auch die Türkei sich viel besser erklären muss. Trotz der extrem ideologischen Berichterstattung großer Teile der Medien ist es uns offensichtlich nicht gelungen, diese Haltung zu durchbrechen und unser Anliegen in überzeugende Worte und Bilder zu fassen. Die Türkei ist einem militärischen und blutig durchgeführten Staatsstreich nur knapp entkommen. Eine wehrhafte Demokratie muss sich – wie überall auf der Welt – gegen diejenigen verteidigen, die sie bedrohen. Dabei gilt es auch der interessierten Öffentlichkeit im Westen mit noch mehr Nachdruck deutlich zu machen, das der türkische Rechtsstaat mit den eingeleiteten Maßnahmen im gesamten Staats-, Justiz-, Militär und Verwaltungsapparat die Wehrhaftigkeit seiner Demokratie festigt. Selbstverständlich ist Kritik an den als drastisch und bisweilen hart empfundenen, aus Sicht der Türkei aber notwendigen Maßnahmen legitim, diese sollte aber konstruktiv sein und auch die außerordentlichen Umstände im Angesicht eines blutigen Umsturzversuches würdigen. Mit dem gerade an den Tag gelegten Türkei- und Erdoğan-Bashing wird ein konstruktiver Austausch unmöglich und jeder Dialog im Keim erstickt.

Nun, wo die Kundgebung friedlich und vorbildlich zu Ende gegangen ist, sind alle Akteure aufgefordert, ein schonungsloses Fazit zu ziehen und nach vorne zu blicken. Die Dimension der deutsch-türkischen Beziehungen sind zu vielschichtig, als dass man sie mit weiteren Zuspitzungen und irrationaler Polemik weiter gefährden sollte. Wir sind in vielerlei Hinsicht eng miteinander verflochten, sei es historisch, wirtschaftlich, politisch und vor allem gesellschaftlich. Es gibt viele gemeinsame Herausforderungen, die nur mit vereinten Kräften gemeistert werden können. Dazu zählen die Stärkung der Partizipationsmöglichkeiten der Türkeistämmigen in Deutschland genauso wie der Kampf gegen den internationalen Terror oder die aktuellen Migrationsbewegungen sowie die Aufnahme und Versorgung der Flüchtenden. Nur wenn sich die Türkei und Deutschland in freundschaftlicher Verbundenheit begegnen, sind sie stark genug für die anstehenden Aufgaben. Was wir jetzt brauchen, ist eine vertrauens- und respektvolle Begegnung auf Augenhöhe und ein konstruktiver Dialog.”

Köln-Demo ist Bewährungsprobe für Demokratieverständnis

“Weil ein Verbot kaum Aussicht auf Erfolg hätte, versucht man die Demo mit anderweitigen Repressalien zu verhindern. Plötzlich springen Lieferanten ab, Dienstleister stornieren fest gebuchte Verträge. Das wirft kein gutes Licht auf das derzeitige Demokratieverständnis in Deutschland”, erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich der am Sonntag geplanten Demokratie-Kundgebung in Köln, das von einem breiten, überparteilichen Bündnis getragen wird. Yeneroğlu weiter:

“Die am Sonntag anstehende Demokratie-Kundgebung in Köln entwickelt sich für Deutschland zunehmend zu einer Bewährungsprobe. Große Teile der Politik stören sich an dieser Kundgebung massiv und einige wollen sie sogar verbieten, wohlwissend, dass ein Verbot einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde. Deshalb scheint man sich nun anderer Mittel zu bedienen, um die Kundgebung zu verhindern. Wie wir erfahren müssen, stornieren Busunternehmen aus heiterem Himmel die fest gebuchten Personen-Transporte, der WC-Verleiher sagt bezahlte Aufträge plötzlich ab, andere Anbieter sprechen von Druck von höheren Stellen und ebenso will die Köln-Messe ihre Parkplätze nicht mehr zur Verfügung stellen. Und auf einmal sagt auch der Bühnenbauer ab, damit die geplante Liveschaltung nicht mehr durchgeführt werden kann. Bezüglich des Videoleinwands ist inzwischen das Verwaltungsgericht eingeschaltet worden. Offenbar wird hier auf Umwegen versucht, das für jede Demokratie elementare Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Repressalien zu torpedieren.

Das wirft ein schlechtes Licht auf das Demokratieverständnis der politisch Verantwortlichen und sendet ein fatales Signal an die türkeistämmige Bevölkerung in Deutschland. Es ist noch in bester Erinnerung, wie Politik und Öffentlichkeit sich an Pro-PKK Märschen quer durch Köln mit teilweise 30.000 Teilnehmern nicht gestört haben. Im Gegenteil, immer wieder nahmen Politiker der Grünen und der Linkspartei an solchen Demonstrationen teil.

Es ist unerklärlich, warum man sich ausgerechnet von einem friedlichen Gedenken an die Niederschlagung eines blutigen Putschversuches in der Türkei hier nun gestört fühlt, obwohl die Kundgebung von einem breiten Bündnis an Nichtregierungsorganisationen, die die Türkeistämmigen in Deutschland als Ganzes abbilden, getragen wird. Ebenso wird ignoriert, dass auch ranghohe Vertreter der türkischen Regierung und der Oppositionsparteien ihre Teilnahme angekündigt haben.

Wer also diese Kundgebung problematisiert, sollte allen voran das eigene Demokratieverständnis in Frage stellen und nicht die Loyalität der Veranstalter oder Teilnehmer dieser Kundgebung. Es ist der türkeistämmigen Bevölkerung nicht entgangen, dass der Einsatz der türkischen Bevölkerung für die Wahrung der Demokratie hier von Politik und Medien weitestgehend ignoriert wird. Wenn jetzt auch noch fundamentale demokratische Grundrechte infrage gestellt werden, sendet man ein verheerendes Signal an Menschen die mit der geplanten Kundgebung für die Wahrung dieser Grundrechte überall auf der Welt demonstrieren wollen. Statt dieses Engagement zu würdigen, treibt man mit dieser Einstellung einen Keil in unsere Gesellschaft.

Jetzt erst recht appelliere ich an alle Freunde der Demokratie, sich diese Repressalien nicht bieten zu lassen und gemeinsam an der Demo für die Demokratie und gegen den Putsch in der Türkei teilzunehmen. Wir sehen uns dort.“