„Der im Nationalrat angenommene Antrag der SVP und CVP diskriminiert muslimische Gemeinschaften und stellt insbesondere Imame unter Generalverdacht. Ausschließlich für die muslimische Glaubensgemeinschaft soll ein Sondergesetz gelten, das Grundrechte für jedermann über Bord wirft”, erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich der im schweizerischen Nationalrat zugestimmten Motion zur Regulierung islamischer Gebetsstätten. Yeneroğlu weiter:

„Am Dienstag wurde im schweizerischen Nationalrat mit der Mehrheit der rechtspopulistischen SVP und CVP ein parlamentarischer Vorstoß (sog. Motion) angenommen, der u.a. Imame verpflichten soll, Predigten ausschließlich in der Landessprache zu halten. Zudem soll es zukünftig verboten sein, Moscheegemeinden vom Ausland aus zu finanzieren. Im Übrigen sollen die islamischen Zentren verpflichtet sein, die Herkunft und die Verwendung von Finanzen offenzulegen, als ob dies schon nicht umgesetzte Gesetzeslage sei. Die Motion liegt nun beim zweiten Rat (Ständerat) und falls auch dieser den Vorstoß durchwinkt, muss die schweizerische Regierung tatsächlich ein entsprechendes Gesetz erlassen. Inspiriert sei Quadri Lorenzo, ein SVP Mitglied, durch das 2015 eingeführte Islamgesetz der österreichischen Nachbarn. Hätte er das schlechte Beispiel aus Österreich jedoch genauer gelesen, wäre er zu dem Entschluss gekommen, dass die Österreicher verordnet haben, wesentliche Glaubensquellen in deutscher Sprache vorzulegen – und nicht wie behauptet, Predigten auf Deutsch zu halten.

Müsste man es nicht ernst nehmen, könnte man tatsächlich glatt annehmen, dass der Entwurf einer gemeinsamen Saufgelage von einigen rechtspopulistischen Nationalratsmitgliedern entsprungen ist. Anstelle vermeintlicher Feststellungen bedient sich der Entwurf entsprechend klassischer rechtspopulistischer Schemata vollkommen aus der Luft gegriffenen Spekulationen. In Bezug auf die Auslandsfinanzierung heißt es z.B.: ,,Ziel dieses finanziellen Engagements sei es oder könnte es sein, in der Schweiz einen radikalen Islam zu propagieren‘‘. Diese abgenutzten Worthülsen sollen ausreichen, um die Muslime allgemein in die Ecke des Extremismus zu schieben und sie als Gegner der Schweizer Gesellschaftsordnung zu verorten. Dadurch soll offenbar die Grundlage für die Religionsausübung der knapp fünfhunderttausend Schweizer Muslime entzogen werden. Sondergesetze für bestimmte Religionsgemeinschaften sind aus dunklen europäischen Zeiten bekannt, denen sich manche in der Schweiz offenbar herbeisehnen, so auch am Beispiel Lex-Minarett gesehen. Solche Vorhaben führen nicht nur dazu, dass sich Muslime entfremden, sondern vor allem zum Erstarken von Rassismus und Islamophobie.

Der Beschluss des Nationalrats greift auch das Prinzip der Gleichbehandlung eines jeden Bürgers an, eigentlich eine elementare Grundlage einer jeden freiheitlich rechtsstaatlichen Ordnung. Während in den muslimischen Gemeinden auf Schwyzerdütsch gepredigt werden soll, sind katholische oder israelitische Gemeinschaften, wo auch lateinisch bzw. hebräisch gepredigt wird, von diesem Vorhaben verschont. Ein klarer Verstoß gegen das Gleichheitsgebot und dem Diskriminierungsverbot in Art. 8 der schweizerischen Verfassung. Neben der Glaubensfreiheit in Art. 15 der Bundesverfassung ist auch die in Art. 18 BV verankerte Sprachenfreiheit betroffen. Ich hoffe nun, dass der schweizerische Ständerat den verfassungsfeindlichen Charakter der Nationalratsentscheidung erfasst und dieses peinliche Theater beendet. Zudem rufe ich alle Glaubensgemeinschaften in der Schweiz auf, sich solidarisch mit den Muslimen zu erklären und gegen dieses Gesetzesvorhaben, dass dem internationalen Ansehen schadet und die Schweiz insgesamt beschämen muss, lautstark zu protestieren.”

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